Fuchsbandwurm

(k)eine Angst vor dem Fuchsbandwurm?

Immer und immer wieder geistert und grasiert eine Gefahr durch den Deutschen (Medien)wald: Die Gefahr lauert im Wald, ein „namenloses Grauen“ (Herr der Ringe) geht dort um … und es bedroht uns mittlerweile bis vor die Haustür, es schleicht sich in unsere Gärten, Spielplätze, Straßen, Schuhabstreifer, Bettvorleger: „Schau dich nicht um, der Fuchs geht um!“

Meister Reineke, schlau und gewieft, war noch nie so ein „Liebtier“ des Menschen: in den Sagen und Märchen war er eher verschlagen. Und den Bauern und der Bevölkerung galt er als Futterfeind, der in Zeiten, wo es noch „um die Wurst“ ging, ebensolche bzw. deren Spenderwirte (Kleinvieh, Huhn, Gans, Karnickel, Taube) raubte und verschlang. Der Futterneid des Menschen auf seine Mitgesch(r)öpfe ist allerdings bis heute nicht beigelegt, siehe die feigen und verdammenswerten Anschläge auf Falken und andere Greifvögel, darunter auch junge Uhus! Wir leben in D im Überfluss und gönnen unseren Mitbewohnern auf diesem Planeten keinen Happen und Häppchen, zerstören und plündern gleichzeitig deren natürliche Lebensräume. Dabei bekämen Betroffene sogar Ausgleichszahlungen vom Amt. Interessanterweise spielt nun dieser Fuchs, dieser frührere Futterfeind, heute eine Schlüsselrolle bei der neuen, oder doch alten (?), Gefahr, die im und neuerdings aus dem Wald droht. Sollte vielleicht also doch was daran sein, dass Jäger die Angst vorm Bandwurm schüren, um die Städter aus dem Wald rauszuhalten? Wer weiß, wer weiß …

Dieses Gespenst ist ein Phantom

Nebulös, unsichtbar, nicht greifbar. Die wenigsten unter uns dürften selber vom Bandwurm betroffen sein oder Erkrankte kennen. Es ist eine eher seltene und nebulöse Gefahr. Aber „Mordor breitet sich aus“ – die Füchse, diese schelmischen Gehilfen des dunklen Lords, kommen nun bis in die Heimstätten der Menschen, in die Gärten und Vorgärten, und bringen den nebulösen Fluch aus dem Nebelgebirge mit. Sicherlich bringt es eine Gefahr mit sich, wenn Füchse immer mehr in die Städte auf der Suche nach Futter kommen. Je nach Gegend mögen es mehr oder weniger infizierte Tiere sein. Im Raum Kassel sind es zudem die Waschbären, die Wurmgefahr in behauste und besiedelte Gegenden tragen (können). Ob und wie das was für den Infektionsdruck bedeutet, kann man realistisch aber erst in 10 – 15 Jahren sagen. Solange dauert es von der Infektion bis zum nicht mehr übersehbaren Ausbruch der Krankheit. In dieser Zeit sind vermutlich jedoch einige der potenziell Gefährdeten mit Sicherheit schon an anderen bösen Seuchen dieser Zeitgeschichte zugrunde gegangen: Chemie und Gifte in Kleidung, Essen, Nahrung. Wie wir sehen, bringt unser moderner Lebensstil neue und sehr handfeste Gefahr für Leib und Leben mit sich. Die 400 – 800 Neuerkrankungen in Bayern pro Jahr mit dem Fuchsbandwurm sind zwar nicht schön zu redende Schicksale, aber beileibe keine Pandemie. Stellen die Füchse indes doch eine größer werdende Gefahr für die Menschen dar, müssten zudem die Behörden tätig werden – nicht unbedingt mit „Abknallen“ (pardon -> Bejagen), sondern mit dem Auslegen von Impfködern. Nachweislich könnte damit breitbandig eine Entwurmung von „Fuchscommunitys“ erzielt werden. Hierüber liest man allerdings nur herzlich wenig, klar, denn das Stichwort „Fuchsbandwurm“ zieht halt medientechnisch viel mehr. Mediale Aufklärung kann hier nur eine Begleitmusik sein und nicht die Hauptmaßnahme. Und, wird nicht immer wieder eine neue Sau durch den Medienwald getrieben? Ende der 90er waren es Creuzfeldt-Jacob und BSE, hört und ließt heute noch jemand was davon? Dann kamen Vogelgrippe und, und, und …

Mythos, Mythen, Medien

Viele Infos ranken sich um den Fuchsbandwurm: Beeren essen, ungekocht, wäre quasi gleichbedeutend mit Selbstmord. Manche meinen sogar, die Jägerschaft würde bewusst die Angst schüren, damit die breite Bevölkerung den Wald, und somit die Jagdreviere, meide …

Wir haben uns jedenfalls in unserer Kindheit oft und gerne an frischen, saftigen Waldbeeren gelabt. Haben wir einfach nur Glück gehabt? Und die Generationen vor uns? Sind die nicht eher an „Pest und Cholera“ verstorben, an Typhus, spanischer Grippe und sonstiger „Pestilenz“ als am Wurm am Band? Sicherlich, wir wuchsen nicht gerade in einem Wurmhochsicherheitsrisikogebiet auf (die es durchaus gibt), sondern waren eher ein Tollwutgebiet: „Tollwutgefährdeter Bezirkt“ stand da am Waldeingang mit roten Buchstaben auf weißem Blech.

Bedauerlicherweise, so berichtete uns ein Förster, hätten die flächendeckende Tollwutimpfung der 80er und 90er Jahre die Ausbreitung des Fuchsbandwurmes begünstigt. Da hat man wohl „den Teufel mit Beelzebub“ ausgetrieben! In der Grundschule noch warnte man uns noch vor Tollwut und Tollkirsche, später, in den höheren Klassen, schwenkte es dann um auf „den Wurm“. Gesehen hat in freilich keiner, weder wir, noch unsere Eltern, noch der Lehrer, der mit schillernsten Worten uns die Konsequenzen des Wurms schilderte: von metastasierenden Lebern bis hin zu Wasserköpfen mit Wucherungen „so groß wie ein Fußball“, die man „im Haus der Natur in Salzburg bestaunen“ könne.

Jahrzehnte sind vergangen, und noch immer habe ich bis heute keinen Fuchsbandwurm gesehen, weder ihn, noch Betroffene. Keiner meiner Klassenkameraden, unter denen sich schon Unfalltod, Schlaganfälle, Thrombosen bemerkbar gemacht haben, hat ihn den Wurm bzw. seine „Finnen“, auch nicht meine Verwandtschaft, Bekanntschaft, Vetternschaft, Zuhörerschaft … Doch, halt, hat da nicht der Bekannte x erzählt, sie hätten da eine Bekannte, und die wiederum eine Verwandte, und die hätte doch tatsächlich den Wurm und die Leber musste tatsächlich transplantiert werden  … Ja, da haben wir wieder das Nebulöse, das nicht Greifbare: die Verwandte von der Bekannten vom Bekannten … die Gefahr, sie rückt eindeutig näher *Ironie*.

Bei Fragen zum Fuchsbandwurm fragen sie einfach „Ihren Arzt oder Apotheker“

Oder informieren sich mit guter (!) Literatur (siehe unten) oder leben einfach das Leben, wie es ist – Ihr Leben, mit allen „Chancen und Risiken“, mit Umsicht und Vorsicht, jedoch nicht übertrieben und in Maßen und im Wissen, dass das Leben nun einfach einmal „lebensgefährlich“ ist.

Fakt ist

Der Mehner.info-Faktencheck:

  • Man kann sich theoretisch und praktisch mit dem Fuchsbandwurm infizieren
  • Nicht jede Infektion führt zur Erkrankung – das Immunsystem kann den Fremdling besiegen, oft, aber nicht immer. Ein Bluttest (Antikörper) kann darüber Aufschluss geben, ob es schon einen „Erstkontakt“ (oder gar Infektion) gibt oder gab.
  • Wer sich damit infiziert und erkrankt, hat ein Problem, durchaus, aber:
  • allerdings kommt das sehr, sehr selten vor. Täglich sterben Tausende auf der Straße oder an Krebs! Das sind wirklich sehr häufige handfeste Gefahren!
  • Auch muss man nicht gleich sterben: Wen eine Infektion betrifft, der kann sich an die Spezialambulanz in Ulm wenden.
  • Manchmal hilft eine Operation, Entfernung des befallenen Gewebes oder Organ-Transplantation, oft der Leber. In fortgeschrittenen Fällen müssen allerdings lebenslang Medikamente genommen werden. Das Gute dabei, und wir sollten immer das Gute sehen: es gibt diese Medikamente! In früheren Jahrhunderten wären Betroffene daran einfach verstorben!
  • Durch den Besiedlungsdruck des Fuchses in die Städte hinein dürfte auch der Infektionsdruck steigen, wird befürchtet – hier sehen wir neben eigenen Hygienemaßnahmen (Hände waschen, Katze und Hund waschen + entwurmen) die zuständigen Behörden gefordert! Als Maßnahmen wären das Auslegung von Impfködern zur Entwurmung der Füchse geeignet.
  • Panikmache in manchen Medien dürfte auch eine Art Seuche darstellen, denn nur „bad news are good news“. Wie eine echt Seuche, mal ansteigend, aufflammend, abflauend – aber nie aussterbend. Dagegen hilft weder Operation noch Pillen, dagegen hilft nur: Abschalten!

Wir denken:

  • Aufklärung: ja
  • Vorsicht und Umsicht: ja!
  • Panik: nein!

Literatur zum Thema Fuchsbandwurm

Bei Spiegel Online: Mythos oder Medizin: Ist es gefährlich, wilde Beeren zu essen?

Bei Amazon:

Schau Dir diese putzigen Füchslein an, da geht einem doch das Herz auf 😀

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Zwangsstörung und Fuchsbandwurm

Interessant ist in dem Zusammenhang mit dem geheimnisvollen Fuchsbandwurm, dass er mit einer ebenso geheimnisvollen Krankheit indirekt in Verbindung zu stehen scheint: der Zwangsstörung.

Gar nicht wenige Zwangskranke haben Angst vor Ansteckungen und Infektionen, darunter taucht immer wieder der Fuchsbandwurm auf. Erstaunlich, da doch das Infektionsrisiko wirklich gering ist.

Erkennbar ist hier gut die Mechanik des Zwangs, sich oft an nebulösen, wenig realistischen Gefahren anzuheften. Der Zweifel spielt eine Rolle: sollte, könnte … Dabei wissen die Betroffenen tief in ihrem Innersten, dass sie so gut wie wahrscheinlich gar nicht am Fuchsbandwurm erkrankt sind. Es ist eher eine Projektionsfläche innerster Konflikte und seelischer Dynamiken – ein Nebenkriegsschauplatz.

Dabei lebt die Zwangsbefürchtung vom „es könnte“. Ja, es könnte. Bei ein paar hundert Menschen von 8 Millionen trat das „es könnte“ ein. Der Zwang lebt aber immer vom Nebulösen, wie der Mythos über den Bandwurm selber auch. Und weil es theoretisch so sein könnte, auch wenn es praktisch recht unwahrscheinlich ist, finden die Zwangskranken keine Ruhe: es könnte ja sein, dass ich mich infiziere – oder bin ich es schon?

Dahinter stecken oft Unsicherheiten und projizierte Urängste, bzw. ist das Vertrauen in sich, das Leben, in eine höhere Instanz (Gott) gestört. Das Urvertrauen ins Leben ist erschüttert (worden).

Zweifelsohne spielt auch der Aspekt des Ekels eine Rolle: Hundekot, Fuchskot ist zweifelsohne eklig. Wer möchte schon mit so einem „Schmutz“ in Berührung kommen? Heute, in unserer sterilen, klinisch reinen Hochglanzwelt.

Oder die Vorstellung, von solchen „Finnen-Viechern“ (Fuchsbandwurm-Larven, die das eigentliche Zerstören betreiben), innerlich befallen und befressen zu werden. Schön ist die Vorstellung solcher Alien-Larven sicherlich ebenfalls nicht.

Letztlich leben wir aber nicht in einer heilen Welt und der Aspekt von Schmutz, Schaden, Scham gehört zum Leben(srisiko) dazu. Und damit tun sich Zwangskranke schwer. Suchen sie doch tief in ihrem Inneren nach einem Ideal, nach Reinheit, einer heilen Welt, und können sie diese nicht haben oder die Realität nicht ertragen, suchen sie die heile Welt im Kleinen unter Kontrolle zu haben:

  • „ich wasche, also bin ich“
  • „ich wasche (mich) rein“
  • „ich wasche, also tue ich was, also habe ich es ‚handfest‘ unter Kontrolle“
  • „ich nähre die Angstbefürchtung, denn dann tue ich wenigstens was, leiste meinen Beitrag, auch wenn ich mich eigentlich ohnmächtig fühle oder Angst vorm Leben habe“
  • Aberglaube, magischer Aspekt: „ich wasche mich (x) mal, dann passiert mir nichts“
  • religiöse Dimension: ich wasche mich – wie Pontius Pilatus – bzw. die Hände in Unschuld
  • „ich fühle mich unsauber, unrein, nicht liebenswert, habe daher Angst vor Ansteckung und wasche mich. Aber eigentlich steckt dahinter, dass ich a) mein Leben lang abgelehnt wurde, b) gemobbt wurde, c) missbraucht wurde, d) Angst vor Gott habe, weil ich unrein bin.“
  • Angst zu sterben als Ausdruck einer allgemeinen Lebensverunsicherung und erschütterten Urvertrauens

Einer übertriebenen Befürchtung und Angst vor Ansteckung mit dem Fuchsbandwurm kann also eine tiefe, seelische Dynamik zugrunde liegen. Auch eine Phobie könnte vorliegen.

Fatalerweise bringt das Thema Fuchsbandwurm alle Aspekte mit, die geeignet sind, dass sich Zwangskranke darauf „festnageln und spezialisieren“. Während die meisten Menschen dem Thema wenig Bedeutung beimessen („was ich nicht sehe/weiß, macht mich nicht heiß“), weil es weit weg und wenig greifbar ist, steigen Zwangskranke gerade auf das wenig Realistische, Greifbare, Nebulöse ein: Es ist eine Gefahr, aber keine sehr alltäglich-realistische. Denn, wäre es eine echte Gefahr, gäbe es sicherlich gute Lösungsansätze oder ich könnte selber konkret etwas dagegen machen. Wäre es keine Gefahr, hätte ich (leider?) keinen Grund zur Sorge / Flucht. Da aber ja generell etwas passieren „könnte“, habe ich ja „guten Grund“ zur Sorge. Denn, was nicht sein kann, darf auch nicht sein. Was aber sein könnte, darf schon sein und ist es „vielleicht“ auch …

Bei starken Ängsten vor dem Fuchsbandwurm sollte daher eine psychotherapeutische Beratung oder Behandlung erwogen werden.

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